Portraet
Namenszug
Titelbild Stein

Leseprobe Stein

Hier ein Auszug aus meinem Das Schwarze Auge Roman Isenborn I: Stein. Wer nicht online lesen möchte, kann ihn auch als pdf herunterladen.


Leseprobe zu Das Schwarze Auge: Stein
von Bernard Craw


Leseprobe entnommen aus Kapitel 3: Eisenquelle


***


Burg Isenborn, Reichsmark Osterfelde, Tobrien. 28. Tag im Boronmond, 1021 BF.

Fiana überlegte, warum ihr Vater den Übungskampf wohl innerhalb der Burg abhielt. Der leergeräumte Saal bot ausreichend Platz, aber durch die schmalen Fenster fand nur wenig Licht den Weg herein und auch die Kerzen konnten nicht ausgleichen, was an Sonne fehlte. Zumal sie Talgkerzen verwendeten, die mehr rußten und weniger Licht gaben. Die Wachskerzen waren knapp geworden, wenn man bedachte, wie viele dunkle Monde noch vor ihnen lagen. Der Kampf selbst konnte nicht der Grund sein, dessentwegen sie nicht auf dem Platz vor der Burg standen.

»Worüber willst du mit mir sprechen, Vater?«, fragte sie.

Verblüfft sah er sie an. »Woher weißt du, dass ich etwas mit dir zu bereden habe?« Beinahe hätte sie lachen müssen. Ein Bär von einem Mann, durch ihre Geistesschärfe für einen Augenblick gänzlich entwaffnet.

Sie zuckte mit den Schultern. »Ich bin die Tochter meiner Mutter.«

»Wahrlich, das bist du. Sie kann in meinem Gesicht lesen wie in einem Buch.«

»Muss ein spannendes Buch sein«, versetzte Fiana.

Ihr Vater führte für den Übungskampf eine hölzerne Variante seiner Lieblingswaffe, einen großen Hammer, den er mit beiden Händen schwang. Deswegen hatte er im Gegensatz zu Fiana keinen Schild. Sie hatte sich für ein Schwert entschieden, eine fachkundige Fertigung mit einer Eisenstange im Kern, die ihren Schlägen zusätzliche Wucht verschaffen würde. Sie grüßten rondrianisch und klappten die Visiere herunter.

Im ersten Schlagabtausch konnte Fiana ihren Vater überraschen. Sie lenkte seinen Hammer mit der Oberkante ihres Schildes ab, tauchte seitlich weg und hieb ihr Holzschwert von unten gegen seine Seite. Vernehmlich schepperte der Brustharnisch. Er unterschätzt mich.

»Gut gemacht!«, lobte er.

»Es lag nicht viel Kraft hinter dem Streich«, wiegelte sie ab. »Auch einen Lederpanzer hätte er kaum durchdrungen.«

»Ach was! Jeder andere als ich wäre auf der Stelle zusammengebrochen!« Sie konnte sich gut vorstellen, wie sein bärtiges Gesicht unter dem Helm grinste.

Sie nahmen erneut Ausgangsstellung ein.

Wieder holte ihr Vater aus, sprang dann aber geschickt zur Seite und schwang den Hammerkopf in einem so tiefen Bogen, dass er beinahe wie ein Besen über den Boden fegte. Fiana konnte gerade so weit in Sicherheit springen, dass sie ihren Schild zwischen den Angriff und ihren Unterschenkel bringen konnte. Dröhnend wurde er gegen die Beinschiene geschmettert. Trotz der Rüstung hatte sie ein Kribbeln in der Wade, als sie den Fuß weit zurückzog und das Schwert gleichzeitig zu einem Ysilischen Wolfsbiss vorstieß. Durch dieses Manöver, das ihr Vater locker auspendelte, war sie nun in der Diagonale vom linken Fuß über den schrägen Torso bis zur rechten Hand lang gestreckt. Sie hatte gar keine andere Wahl, als sich wieder in ihrem Körperschwerpunkt zu sammeln.

Das nutzte Vater aus. Geschwind setzte er nach, und zwar nicht mit dem Kopf seines Hammers, sondern mit dem schneller beweglichen Stiel: Er ließ die Rechte bis zur Hälfte hinaufgleiten und stieß zu wie mit einem Kampfstab. Fiana riss beide Unterarme vor die Brust, den linken außen, sodass ihr Schild sie gut deckte. Sie stand fest, daher konnte der Schlag sie nicht erschüttern. Sie nahm ihn auf, dann glitt sie, da sie nun seitlich zu ihrem Gegner stand, nach rechts heraus und stieß ihm den gepanzerten Ellbogen in den Bauch. Manche Ritter trugen einen Sporn an dieser Stelle ihrer Rüstung, das war zwar lästig, wenn man sich in einer überfüllten Gasse bewegte, aber im extremen Nahkampf durchaus nützlich.

Doch auch ihrem Vater waren solche Situationen nicht neu. Er nutzte ihre durch den Helm begrenzte Sicht aus, sodass sie seine Pranke am Hals spürte, ohne sie zuvor kommen gesehen zu haben. Er hob sie vom Boden, wie der Wind es mit einem Blatt Herbstlaub tat, und schleuderte sie zwei Schritt weit davon, wo sie auf die Steine schlug.

Fiana war stolz darauf, ihr Schwert noch immer im Griff zu haben, aber das nützte ihr nicht viel. Ihr Vater war über ihr, bevor sie sich zur Seite rollen konnte. Sein Knie drückte schwer auf ihren Brustpanzer. »Na, Töchterchen, wie geht es dir?«

»Ich kann gar nicht genug klagen!«, ächzte sie.

»Gibst du auf?«

Er hatte ihren Schwertarm auf dem Boden fixiert. Sie versuchte, aus dem Handgelenk heraus einen Treffer zu landen, aber das taugte nur zu einem kraftlosen Wischen. Stöhnend ließ sie die Waffe fallen. »Man muss einem alten Mann ja auch mal einen Erfolg gönnen.«

Er lachte dröhnend und half ihr auf die Füße.

»Worüber möchtest du mit mir sprechen, Vater?«, fragte sie.

Er drehte ihr den Rücken zu, während er seinen Kampfhammer holen ging. Als er sich ihr wieder zuwandte, klappte er das Visier hoch. »Du hast von dem Mann erzählt, den du getötet hast, und dass dir das schwerfiel.«

Auch sie öffnete ihren Helm. »Was ist damit?«

»Ich bin wohl nicht besonders gut, solche Sachen zu lehren, aber ich sage es dir so, wie das Leben es mir beigebracht hat: Wenn du eine Ritterin bist, und das bist du, eine gute dazu, dann sind da die Turniere und der ehrenvolle Wettstreit und die Minne und all der Glanz. Aber das Töten gehört dazu, das musst du wissen.«

»Ich weiß es.«

Er seufzte schwer. »Ja. Irgendwie schon, aber auf eine andere Art vielleicht auch nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob du wirklich begriffen hast, dass es immer dazu kommen kann. Du trägst ein Schwert, und damit trägst du auch die Verantwortung für diejenigen, die keines ihr Eigen nennen. Sie beackern Jahr ein, Jahr aus ihre Felder und liefern uns einen Teil der Erträge ab. Oft leben wir besser als sie, haben selten Mangel an Speisen und Privilegien von der Jagd bis zur Kleidung. Dafür dürfen sie erwarten, dass wir sie schützen. Oft wirst du ihre Kämpfe ausfechten, nicht deine eigenen. Oder es werden die deines Lehnsherrn sein.«

»Ich weiß das. Ich schon.« Es tat ihr in dem Moment leid, als sie es aussprach.

»Du fragst dich, warum wir nicht in den Krieg des Kaisers ziehen.«

»Nein, es steht mir nicht ...«

»Doch, lass es mich erklären. Wir haben uns nicht umsonst an einen Ort zurückgezogen, wo wir allein sind. Gemeinsam mit deiner Mutter kämpfte ich bei Eslamsbrück. Sie verlor ihre Hand. Mit deinem Bruder stand ich auf den Zinnen von Ysilia. Er ist bei Boron. Die kleinen Scharmützel rechne ich nicht. Deine Mutter ist der Meinung, dass der Preis, den unsere Familie gezahlt hat, hoch genug ist.«

»Und was meinst du, Vater? Wie weit gilt unser Wappenspruch?«

Er starrte auf die Felsblöcke, die den Boden fügten. »›Treu wie Stahl‹«, zitierte er.

Die einsetzende Stille schmerzte Fiana. Sie kam sich wie die Anklägerin ihrer eigenen Familie vor. Aber sie wusste auch nicht, was sie sagen sollte, um die drückende Stimmung aufzuhellen.

»Ich kann deine Mutter jetzt nicht verlassen«, erklärte ihr Vater schließlich. »Mein Platz ist an ihrer Seite, wenigstens im Moment.«

Sie entschloss sich, ihm ihre Entscheidung mitzuteilen. »Ich werde wieder hinausziehen, Vater. Ich werde mich Bernfried anschließen.«

Er nickte. »Das habe ich mir schon gedacht. Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir es deiner Mutter sagen.«

»Ja.«

»Horche das nächste Mal in dich hinein, wenn du einen Menschen tötest. Es ist gut, wenn sich in dir etwas regt, aber dieses Etwas darf dir nicht den Schlaf rauben. Und du sollst auch wissen, dass es noch schlimmer werden wird.«

»Schlimmer als beim ersten Mal?«

»Nicht auf diese Weise. Vermutlich wirst du dich daran gewöhnen, deine Gegner im Kampf zu überwinden. Ich meine die Zeit später, wenn Mutter und ich nicht mehr sein werden. Dann wirst du über Isenborn herrschen. Zur Herrschaft gehört auch immer Grausamkeit. Man muss sie im Zaum halten, aber verzichten kann man auf diese Eigenschaft als Freifrau auf keinen Fall. Wenn du die Lehnsherrin bist, musst du Urteile sprechen, und es gehört dazu, dass nicht deine Hände sie vollstrecken. Das ist wichtig für die Hörigen. Sie spüren es, wenn du die Macht hast, mit deiner Autorität anderen diese Dinge zu befehlen. Sie müssen begreifen, dass du über Recht und Unrecht entscheidest, im Namen des Kaisers. Wenn man auf deinen Befehl hin einen Menschen tötet, dann ist es kein Unrecht.«

»Jeder Offizier führt die Seinen ins Feld.«

»Du missverstehst mich. Das ist etwas, das man mit seiner Ehre leicht abmachen kann, wenn einem ein bewaffneter Feind gegenübersteht und man ihn überwindet. Aber wenn einer der Strafgefangenen sich so nach der Freiheit sehnt, dass die dunklen Wälder ihn nicht mehr schrecken, dann wirst du dir wünschen, dass die Hunde ihn nicht aufspüren. Denn wenn sie es tun, musst du ihn hängen lassen, ganz gleich, wie sehr er fleht und bettelt. Es sind nicht die starken Ritter und nicht die mächtigen Dämonenpriester, die dir die Albträume bereiten werden. Es sind die Schwachen, die Wehrlosen, die deiner Gnade ausgeliefert sind und denen du sie nicht gewähren kannst. Manchmal ist eine Freifrau weniger frei als eine Bäuerin, weil sie das Joch der Verantwortung trägt.«

Fiana netzte ihre Lippen. »Ich werde es mir merken.«

Prüfend sah ihr Vater sie an. »Gut«, sagte er. Er klappte das Visier herunter. »Genug ausgeruht, Töchterchen?«


***


Ende der Leseprobe.




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Entnommen aus:
Stein
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ISBN: 978-3-89064-141-6