Portraet
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Titelbild Erz

Leseprobe Erz

Hier ein Auszug aus meinem Das Schwarze Auge Roman Isenborn II: Erz. Wer nicht online lesen möchte, kann ihn auch als pdf herunterladen.


Leseprobe zu Das Schwarze Auge: Erz
von Bernard Craw


Leseprobe entnommen aus Kapitel 2: Burg


***


Azzgrada stand mit vier Kämpfern ihres Volkes vor der Weide. Es war ein Phänomen, dass die Goblin-Schamaninnen nie allein aus eigener Kraft zauberten. Zumindest hatte Cyron das noch nicht beobachtet. Immer waren einige Tänzer zugegen. Das war auch die Rolle dieser Goblins. Sie trugen keine Waffen, Eisen hätte den Fluss der astralen Kräfte gestört.

Dem widersprach allerdings Azzgradas wichtigstes Zauberutensil, das sie bereits unter den Zweigen erwartete, wo auch der erwählte Rotpelz kniete: ihr gusseiserner Kessel. Bestimmt war er auf besondere Weise behandelt worden, schließlich hörte man auch immer wieder von magischen Schwertern und verzauberten Rüstungen. Und genau deswegen waren sie ja auch hier: um der Entstehung eines magischen Panzers beizuwohnen.

Der Boden des Kessels glühte, was seine Umgebung in einem bronzenen Licht badete. Dafür schien kein Feuer nötig zu sein. Wie meistens blubberte auch diesmal eine hellgrüne Flüssigkeit in ihm. Azzgrada hatte ihre knotigen Hände dermaßen oft in dieses Gebräu getaucht, dass sie die Farbe dauerhaft angenommen hatten.

Die vier Tänzer stellten sich so auf, dass der Kämpfer, Azzgrada, der Kessel und auch der Stamm des Baumes zwischen ihnen waren, als sie mit dem Stampfen begannen. Cyron entging nicht, dass sie ihn und Ienus damit ausschlossen, aber das war ihm eigentlich sogar recht. Nur ungern hätte er sich dem Wirken von arkanen Kräften einer anderen Zauberin ausgesetzt. Ihm war die Position des analysierenden Zuschauers erheblich lieber.

Azzgrada redete in ihrer kehligen Sprache mit dem Auserwählten. Der Goblin, dessen Muskeln einem Ork alle Ehre gemacht hätten, stand zögerlich auf. Er wirkte unsicher, obwohl er seine Schamanin um mehr als einen Kopf überragte.

Sie tauchte die hohle Hand in die kochende Flüssigkeit ihres Kessels und flößte sie dem Kämpfer ein. Er bemühte sich zu schlucken. Dennoch lief viel von dem Gebräu aus seiner äffischen Schnauze und tropfte rauchend von seinem Kinn. Sechsmal gab Azzgrada ihm zu trinken.

Hatte diese Zahl eine Bewandtnis? Die Goblins waren ein Naturvolk. Es gab sechs Elemente: Erz, Eis, Wasser, Luft, Feuer und Humus. Die silbernen Symbole auf Azzgradas Kleid standen zweifellos für den Humus. Vielleicht beschwor sie die Kräfte der Natur in ihrer Gesamtheit?

Während sich die stampfenden Tänzer in die Wildheit ihres Ritus hineinsteigerten, wurde der Erwählte ruhig, sogar schläfrig. Er legte sich vor den Baum und verharrte so reglos, dass er möglicherweise tatsächlich eingeschlafen war. Das war seltsam, da seine Lage unbequem wirkte. Kanthölzer stützten ihn an Hüfte und Nacken, sodass sein verkrampfter Oberkörper einen Spann über dem Boden schwebte.

Azzgrada schöpfte weiter aus dem Kessel. Unter leisem Gemurmel versprengte sie die grüne Flüssigkeit auf dem Boden und rieb sie gegen die Rinde. Es war merkwürdig anzusehen, wie bereitwillig der Baum sie aufnahm, als sei er ein Wischtuch.

Auf Ienus' Gesicht erkannte Cyron die Spannung, die auch ihn aufwühlte. Was immer er erwartet hatte, bislang entsprach diese Zeremonie dem nicht. Führte Azzgrada etwa ein Theaterstück auf, um sie zu täuschen? Wäre das der Fall, würde er sie bezahlen lassen! Er brächte sie nicht um, dazu war sie zu nützlich bei der Führung der Rotpelze, aber er ließe sie leiden! Mit der Hilfe des Dämons könnte er in ihrem Verstand herum wühlen, nicht so sehr, dass sie wahnsinnig würde, aber doch genug, um ihre geheimsten Ängste wahr werden zu lassen.

Es begann mit einer einzelnen, weißen Spinne, nicht größer als ein Daumennagel. Sie war nur deswegen überhaupt zu erkennen, weil sie sich so stark von der dunklen Rinde der Weide abhob. Zweimal hielt sie inne, während sie daran herab krabbelte, dann erreichte sie den Boden und verschwand im Pelz der sich unter sanften Atemzügen hebenden und senkenden Brust des Erwählten.

Als sende sie einen für Cyron unhörbaren Ruf aus, seilten sich plötzlich so viele Spinnen an ihren Fäden aus den Zweigen der Weide ab, dass ihre hellen Leiber einem Schneegestöber glichen. Nicht alle waren so klein wie die erste Kundschafterin, aber keine größer als ein Handteller. Auch auf die Köpfe von Cyron und Ienus fielen sie. Während Cyron ungehalten auf die Arachniden einschlug und einige von ihnen zerquetschte, befand sich Ienus in Schockstarre.

Die achtbeinigen Tiere hatten jedoch kein Interesse an den beiden Magiern. Sie krabbelten an ihnen herunter und wuselten auf den liegenden Goblin zu. Es sah aus, als schäumte eine weiße Flüssigkeit unter dem Gras. Über Brust und Bauch des Rotpelzes schlug die Flut zusammen. Sein Torso verschwand vollständig unter weißem Gewimmel.

»Sie weben ihn ein«, murmelte Ienus.

Cyron runzelte die Stirn. Sein Gemüt schwankte zwischen Wut, Grausen und Faszination.

Ienus hatte richtig beobachtet. Eine halbe Stunde mochte vergangen sein, als sich die Tiere zurückzogen. Sie strömten den Baumstamm hinauf und verschwanden im Geäst. Eine unheimliche Vorstellung, bedeutete das doch, dass sie sich jederzeit wieder über Cyron ergießen könnten. Der Oberkörper des Erwählten aber war eingesponnen wie die Puppe eines Schmetterlings.

Die Tänzer stellten ihr Stampfen ein. Azzgrada ließ sich auf Hände und Knie nieder, um an dem weißen, feucht glänzenden Kokon zu schnuppern.

Sah Cyron Zufriedenheit in ihrem Gesicht, als sie sich erhob? Goblinische Züge waren nicht leicht zu deuten.

»Mussss trocknen«, sagte sie nur. »Alles guuuuut.« Sie schwankte ein wenig, als sie die bodenlangen Zweige auseinander schob, um unter den sternklaren Himmel zu treten.

»Diese Vorführung war in der Tat geeignet, mich zu der Einschätzung zu bewegen, Ihr könntet hier erfolgreich sein, mein guter Cyron«, stellte Ienus später fest, als sie sich das Gefühl krabbelnder Spinnenbeine von der Haut geschrubbt hatten und bei hinlänglich gutem Wein zusammen saßen. »Ich werde mich nun zurück nach Yol Ghurmak begeben. Seid versichert: Ich werde mich beim Dämonenkaiser dafür verwenden, Euch einige von Mechanikus Leonardos Experimentalgerätschaften zu schicken.«


***


Ende der Leseprobe.




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Entnommen aus:
Erz
Fantasy Productions 2010
ISBN: 978-3-89064-142-3